Das menschliche Kopfhaar besteht aus 90 000 bis 150 000 Haaren und ist ständigen Erneuerungsprozessen unterworfen. Einzelne Haare auf den Bettlaken, in der Haarbürste oder im Duschabfluss qualifizieren sich noch nicht zum Haarausfall, sondern sind der begrenzten Lebensdauer von Kopfhaar zu schulden. Bis zu 100 Haare verlieren Menschen Tag für Tag. Diese abgestorbenen und anschließend ausgefallenen Einzelhärchen wachsen in Windeseile wieder nach. Wer täglich deutlich mehr als 100 Haaren lässt, leidet aus medizinischer Sicht an Haarausfall.
Rund 80 Prozent aller Männer und etwa die Hälfte aller Frauen sind in Deutschland von Alopezie betroffen. Sogar Kinder sind vor Haarausfall nicht gefeit. Nicht immer muss Haarausfall zwingend zur Haarlosigkeit führen. Bei vorübergehenden Haarverlusten wächst das Haar meist von alleine nach. Unwiderrufliche Schädigungen der Haarwurzeln können im Rahmen von Verbrennungen oder vernarbende Alopezie allerdings dauerhaft unbehaarte Stellen verursachen. Alopezie hat verschiedene Gesichter und ebenso unterschiedliche Ursachen. Einzelnen Arten des Haarausfalls wird deshalb mit unterschiedlichen Therapieansätzen begegnet.
Physiologische Umstellungen sind kein krankhafter Haarausfall
Nicht immer liegt dem Haarausfall eine krankhafte Ursache zugrunde. Der menschliche Körper verändert sich ununterbrochen auf physiologische Art und Weise. Im Alter ist lichter werdendes Haar zum Beispiel weitestgehend normal. Dasselbe gilt für die Lebensphase der weiblichen Wechseljahre. Physiologische Umstellungen mit Konsequenzen für das Kopfhaar stellen sich für Frauen außerdem in der Schwangerschaft und der daran anschließenden Stillzeit ein. Während sie sich in der Schwangerschaft meist über glänzendes und volles Haupthaar freuen, lassen sie nach der Geburt des Kindes oft einige Haare. Wie die meisten anderen Haarausfallformen mit physiologischer Basis hängt auch dieses Phänomen mit hormonellen Umstellungen zusammen und pendelt sich nach gewisser Zeit in der Regel wieder ein.
Androgenetische Alopezie ist erblich bedingter Haarausfall
Die häufigste Form des Haarausfalls ist die androgenetische Alopezie, von der vor allem Männer betroffen sind. Das typische Männerproblem der Geheimratsecken geht in der Regel auf diese genetisch vorprogrammierte Form des Haarausfalls zurück. Dasselbe gilt für schütteres Haar im Bereich der Tonsur. In vielen Fällen mündet androgenetische Alopezie auf lange Sicht in Haarlosigkeit um die Stirn und den Hinterkopf herum. Erbliche Formen des Haarausfalls zeigen sich in der Regel bereits in jungen Jahren und schreiten oft fort, bis nur ein schmaler Haarkranz übrig ist.
Symptome: Verschiedene Manifestationen für Männer und Frauen
Wesentlich seltener als Männer sind Frauen von androgenetischem Haarausfall betroffen. Das weibliche Geschlecht entwickelt selten eine volle Glatze, sondern leidet meist vor allem im Scheitelbereich an dünner werdendem Haar. Die Wechseljahre können für Frauen ein Anlass für den vermehrten Haarausfall sein. Tendenzen zu schütterem oder immer feiner werdendem Haar im Oberkopfbereich können sich allerdings auch bei Frauen schon im Teenageralter zeigen.
Ursache: Haarausfall durch DHT-Überempfindlichkeit
Grundsätzlich gelten für androgenetische Alopezie hormonelle Ursachen. Die Haarwurzeln zeigen sich überempfindlich gegenüber dem männlichen Geschlechtshormon Dihydrotestosteron (DHT). Biologisch hochaktives DHT wird in Männer- und Frauenkörpern mithilfe des Enzyms 5-alpha-Reduktase aus Testosteron gebildet. Da die Haarwurzeln im Zentralkopfbereich große Mengen des Enzyms enthalten, wird an dieser Stelle besonders viel DHT produziert. Die Veranlagung zur Überempfindlichkeit steckt wiederum in den Genen. In Folge der Hypersensibilität verkürzt sich die Wachstumsphase der Haare. Statt androgenetischer Alopezie können Frauen auch im Rahmen einer androgenen Alopezie licht im Scheitelbereich werden. In diesem Fall leiden sie an einer hormonellen Grunderkrankung mit Vermännlichungszeichen wie verstärkter Oberlippen-, Kinn-, Brustwarzen- und Bauchnabel- sowie Intimzonenbehaarung.
Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata): ein Frauenproblem
Von der hormonell bedingten Form des Haarausfalls ist die Alopecia areata zu unterscheiden, die rund eine Million Deutsche betrifft. Diese Form der Alopezie äußert sich in Form von runden Kahlstellen im Kopf- oder Barthaar, die etwa die Größe einer Münze messen. Dieser kreisrunde Haarausfall trifft Frauen wesentlich häufiger als Männer.
Ursache: Autoimmunerkrankung mit erblicher Basis
Über die primäre Ursache dieser Form kann bislang nur spekuliert werden. Wissenschaftler gehen mittlerweile von einer Störung des Immunsystems aus, die einzelne Immunzellen zum Angriff der körpereigenen Haarwurzeln bewegt. Durch die so ausgelösten Entzündungen sind die Haare im Wachstum beeinträchtigt. In Einzelfällen wurde für die Form des Haarausfalls familiäre Häufung beobachtet. Wissenschaftler gehen daher von Erblichkeit aus. An unterschiedlicher Stelle wurde Stress als Auslöser für einzelne Krankheitsschübe diskutiert.
Symptome treten meist in jungen Jahren ein
Die Autoimmunerkrankung lässt oft dauerhaft kahle Stellen zurück und betrifft neben jungen Frauen vor allem Kinder. Jenseits des 30sten Lebensjahrs tritt diese Art der Alopezie nur in den seltensten Fällen auf. Die Kahlstellen einer Alopcia areata lassen sich durch ihre vereinzelte und diffuse Verteilung sowie die deutliche Umschreibung gut von der androgenetischen Form unterscheiden. Andere Formen der Alopezie sind vom kreisrunden Haarausfall wesentlich schwerer zu differenzieren: so vor allem infektionsbedingter Haarausfall. Die Kahlstellen einer Alopecia areata bilden sich anders als infektionsbedingte Kahlstellen relativ schnell oder schubweise, wobei sich auf den betroffenen Bereichen die Poren einzelner Haarausführungsgänge zeigen. Um die unbehaarten Flecken herum stehen oft abgebrochene Haarteile, die als Kommahaare bezeichnet werden und sich auszupfen lassen. Nagelveränderungen wie Rillennägel können ein eindeutiges Indiz für Alopecia areata sein. In einigen Fällen ist der gesamte Körper von kreisrundenm Haarausfall betroffen. Einzelne Kahlstellen gehen dabei ineinander über und breiten sich fortlaufend aus.
Diffuse Alopezie kann jeden treffen
Sowohl der kreisrunde als auch androgenetische und infektionsbedingte Haarausfall hinterlassen umschriebene Kahlstellen und werden deshalb als umschriebene Alopezien zusammengefasst. Außerhalb dieser Krankheitsgruppe bewegt sich der diffuse Haarausfall. Bei dieser Erscheinung lichtet sich das Kopfhaar eher gleichmäßig. Eine Vielzahl von Ursachen kommt für den Haarausfall in Betracht. Annähernd jeder kann daher von diffusem Haarausfall betroffen sein. In den meisten Fällen sind allerdings Schilddrüsenfehlfunktionen die Ursache. Neben Überfunktionen können auch Unterfunktion der Schilddrüse die Erscheinung hervorrufen.
Alopezieursache Mangelerscheinungen
In Einzelfällen geht die Erkrankung auf Mangelerscheinungen wie Eisenmangel zurück. Grundsätzlich kommen auch Nährstoffmangelerscheinungen als Ursache in Frage, wie er im Rahmen von bestimmten Krankheiten und falscher Ernährung entsteht. Neben Crash-Diäten, Anorexie und Bulimie kann die unzureichende Nährstoffaufnahme zum Beispiel auf Darmerkrankungen zurückgehen, so vor allem auf chronischen Darmkrankheiten und Darmoperationen.
Vergiftungen verursachen diffusen Haarausfall
Neben Medikamenten sind Schadeinflüsse durch Strahlentherapie und Chemotherapie verbreitete Auslöser für diffusen Haarausfall. Während Medikamente wie die Anti-Baby-Pille das Haar meist nur in diffuser Art und Weise schütter werden lassen, fällt es Patienten nach Strahlen- und Chemotherapie oft vollständig aus und beginnt erst nach Therapieabschluss wieder nachzuwachsen. Neben Medikamenten- und Strahleneinflüssen können sämtliche Arten der Vergiftung das Haar lichter werden lassen. In Frage kommen zum Beispiel Schwermetallvergiftungen, Chemikalienbelastungen oder Giftbelastungen durch Zahnbehandlungen.
Auslöser mechanische Belastungen und Infektionskrankheiten
Seltener sind chronisch schwere Erkrankungen oder Infektionskrankheiten wie Scharlach für diffus lichtes Haar verantwortlich. Besonders bei Kindern kommen außerdem mechanische Ursachen für diffusen Haarausfall in Frage. Unterschiedliche Frisuren und Kopfbedeckungen strapazieren über Permanentzug das Kopfhaar. Pferdeschwänze lassen das Haar zum Beispiel oft im Scheitel- und Schläfenbereich lichter werden.
Vernarbender Haarausfall hinterlässt bleibende Kahlstellen
Von den genannten Formen der Alopezie ist der vernarbende Haarausfall zu unterscheiden. Die ausgefallenen Haare wachsen bei dieser Variante nicht mehr nach. Den Ausfallerscheinungen finden meist im Rahmen einer größeren Primärerkrankung statt. Als ursächliche Krankheit kommt zum Beispiel Systemischer Lupus Erythematodes in Frage. Auch Hautkrankheiten wie die zirkumskripte Sklerodermie oder Pilzinfektionen und Schuppenflechten können haarlose Herde zurücklassen. In den meisten Fällen ist vernarbender Haarausfall mit Begleitsymptomen verbunden, so zum Beispiel mit Juckreiz, Schuppenbildung oder Rötungen. Die Pseudopelade Brocq oder Alopezia atrophicans gilt als seltene Unterform des vernarbenden Haarausfalls und lässt unregelmäßig geformte Kahlstellen zurück, die sich über mehrere Jahre hinweg entwickeln. Obwohl das Haar an den Stellen der Haarwurzelzerstörung nicht nachwachsen kann, lässt sich der Krankheitsprozess zum Stillstand bringen. Die Beteiligung neuer Kopfhautstellen kann damit ausgeschlossen werden.
Haarausfall – Therapie nicht ohne ärztlichen Rat
So viele unterschiedliche Ursachen die Alopezie haben kann, so viele unterschiedliche Therapieansätze kommen zur Behandlung in Frage. Der Hautarzt ist der zuständige Experte. Neben Anamnese, Blickdiagnostik und Kopfhautprobe können Bluttests zur Bestimmung der Ursache erforderlich sein. Auf Basis der ermittelten Auslöser erteilt der Arzt eine Therapieempfehlung.
Androgenetischer Haarausfall lässt sich relativ gut behandeln
Zur Behandlung von androgenetischem Haarausfall kommen mittlerweile unterschiedliche Medikamente zum Einsatz. Die Medikamentenwahl hängt vor allem vom Geschlecht ab.
- Minoxidil eignet sich für Frauen sowie Männer und wird in Form einer flüssigen Lösung auf die Kopfhaut aufgetragen. Die Dosierung ist geschlechtsspezifisch. Der Haarausfall wird durch die Substanz abgebremst, sodass stärkere Haare nachwachsen können. Ergebnisse zeigen sich frühestens nach einem Monat und das vor allem an Stellen, um die herum noch Haare wachsen.
- Finasterid wurde deutschlandweit nur für Männer zugelassen und verlangsamt fortschreitende Haarverluste. Nach einigen Monaten der Einnahme wächst das Haar dichter nach. Anders als Minoxidil ist Finasterid verschreibungspflichtig und kann unterschiedliche Nebenwirkungen hervorrufen.
- Bei der Haarverpflanzung (Eigenhaartransplantation) verpflanzt der Arzt Eigenhaare an lichter werdende Stellen. Das Verfahren entspricht einem minimal-invasiven Eingriff, der unter örtlicher Betäubung stattfindet und ambulant erfolgen kann. Voraussetzung für die Vorgehensweise ist ausreichend Eigenhaar.
Kreisrunder Haarausfall erfordert oft keine Therapie
Im Normalfall verbessern sich die Symptome einer Alopecia areata nach einigen Monaten von selbst und erfordern damit keine Therapie. Ausgeprägte Befunde erfordern eine Behandlung wie die
- Haarausfallbehandlung mit Kortison, das auf die kahlen Stellen aufgetragen wird und Immunreaktionen unterdrückt. Auch eingespritztes Kortison kann zur Anwendung kommen.
- Alopezie-Behandlung mit Diphenylcyclopropenon (DCP), die eine allergische Reaktion auf der Kopfhaut bewirkt und das Immunsystem dadurch von den Haarwurzeln ablenkt. DCP ist bislang nicht zugelassen und wird nur in spezialisierten Zentren oder Universitätskliniken angewandt.
- Behandlung mit Zinktabletten, die in höheren Dosierungen positive Effekte auf Patienten mit Alopecia areata gezeigt hat.
Diffuser Haarausfall wird ursachenabhängig therapiert
Bei den zahlreichen Arten des diffusen Haarausfalls richtet der Arzt die Therapie auf die Ursache im Einzelfall aus. Grundsätzlich beseitigt die Behandlung idealerweise die Ursache der Alopezie. Bei diffusem Haarausfall können die Symptome für bis zu drei Monate nach der Ursachenbeseitigung bestehen bleiben.
- Medikamentenwechsel können medikamentöse Vergiftungserscheinungen oder Überreaktionen auf bestimmte Wirkstoffe stoppen. Medikamentös bedingte Alopezie kann damit unter Umständen verbessert werden.
- Nährstoffpräparate und Substitutionen verbessern mangelerscheinungsbedingte Alopezie. Liegt eine Darmerkrankung vor, muss der Applikationsweg den Magen-Darm-Trakt umgehen. Bei ursächlichen Diäten ist die Diät einzustellen. Essstörungen werden in psychologischer Begleitung therapiert.
- Chemotherapie-bedingter Haarausfall lässt sich meist nicht weiter behandeln. Die Therapie ist in diesem Fall wichtiger für den Patienten, als es die Haare sind. Für die Zeit der Therapiedauer können Perücken den Haarausfall kaschieren. Nach Therapiebeendigung wachsen die Haare oft wie gewohnt nach.
Die richtige Haarpflege ist für alle Formen der Alopezie entscheidend
Mit der richtigen Pflege können sich sämtliche Formen des Haarausfalls verbessern. Zu den wichtigsten Pflegehinweisen gehören:
- Nicht zu viel Shampoo verwenden.
- Kuren nur in gewissen Abständen einsetzen.
- Nasses Haar nicht trockenrubbeln, sondern behutsam im Handtuch trocknen.
- Haare lieber lufttrocknen, als föhnen.
- Die Kopfhaut vor Sonnenlicht schützen.
- Nicht zu oft bleichen, färben oder glätten, um das Haar nicht überzustrapazieren.
- Bürsten mit abgerundeten Bürsten kämmen und auf weit auseinander liegende Zinken achten.
- Keine zu straffen Frisuren.
Gerade bei Haarausfall durch mechanische Belastungen kann die Beachtung dieser Pflegehinweise eine sofortige Besserung bedeuten.